Hier erklären ich:
- Was ein Sauerteig ist und was ihn vom Starter oder Anstellgut unterscheidet.
- Warum man einen herstellen sollte.
- Wie das geht, und dass es ziemlich einfach ist.
Wenn man sich über das Fermentieren von Nahrungsmitteln Gedanken macht, stößt man recht schnell auf Sauerteig. Daraus kann man je nach Art des Sauerteigs etwa Brote oder Kuchen backen. Es gibt grundsätzlich eine gute Vielfalt an Sauerteigen, genaugenommen so viele wie es Sauerteige gibt (zumindest was die Selbstgemachten angeht), die Herstellung und Verwendung ist aber eigentlich ganz simpel, wenn mal ein paar Grundsätzlichkeiten geklärt sind. Die Fachsprache ist leider etwas verwirrend dabei, ich bemühe mich, das zu erhellen.
Mit Sauerteig ist genaugenommen der fertigen Teig, der in den Backofen geschoben wird, gemeint. Dieser besteht aus Mehl irgendeiner Sorte, Wasser (oder einer anderen Flüssigkeit wie Bier), Gewürzen wie Salz und eben dem eigentlichen Ferment, dem Starter (beziehungsweise Anstellgut). Das Ferment bzw. der Starter ist im einfachsten Fall Mehl einer Sorte mit Wasser vermischt, und dieser Brei wird von wild vorkommenden Milchsäure- und Essigsäurebakterien sowie Hefearten anfermentiert bis er eine gewisse Reife erreicht hat. Das Ferment dient dann sowohl als Backtriebmittel (wie sonst die zugesetzte Bäckerhefe) wie auch als Geschmacksquelle. Das bedeutet, um Sauerteig zu machen, braucht man zuerst den Starter, der aber eben nur eine Zutat zum fertigen Teig ist und zumindest üblicherweise nicht alleine verbacken wird. Im Sprachgebrauch meint man mit Sauerteig oft auch eher den Starter bzw. die fermentierende Kultur, vielleicht, weil man damit deutlich mehr Zeit verbringen kann als mit dem Teig am Schluss. Die Herstellung des Starters dauert mindestens fünf Tage, so lange braucht die erste Anzüchtung der Kulturen mit Mehl und Wasser normalerweise. Im Laufe der Zeit wird ein Teil davon immer wieder verbacken werden und der Rest weitergefüttert, bis zum nächsten Backgang. So eine „Sauerteiglinie“ bezeichnet man auch als Sauerteigführung. Der ursprüngliche Brei wird regelmäßig, oft täglich, „gefüttert“ und das ist auch eine gute Bezeichnung dafür, denn so ein Sauerteig ist ein Mikrokosmos, ein Ökosystem aus Milchsäurebakterien, Essigsäurebakterien und wilden Hefen, die entweder aus dem Mehl oder auch aus der Umgebung des Herstellers (also etwa von den Oberflächen Deiner Küche oder Deinen Händen) stammen. Wenn der Starter etwas älter wird, sagen wir ab einem Alter von einigen Wochen, wird er vielleicht triebstärker, das bedeutet dass er mehr CO2 produziert und damit Teig, der damit gemacht wird, stärker aufgehen lässt. Je triebstärker ein Teig ist, desto weniger weitere Hefe muss man in den fertigen Teig zusetzen, um den Teig aufgehen zu lassen bzw. ist vielleicht gar keine mehr notwendig. Beim Sauerteig geht es aber absolut nicht nur (und vielleicht nicht mal vor allem) darum, weniger Bäckerhefe zu brauchen, sondern vor allem um den Geschmack, die höhere Haltbarkeit und Bekömmlichkeit der Backprodukte. Brot aus Sauerteig bekommt einen gewissen säuerlichen Ton (je nach Menge, die dem fertigen Teig zugesetzt wird, subtiler oder eher stark) und wohl auch eine Fermentationsnote, die ich nicht genau beschreiben kann, aber persönlich sehr gerne mag.
Ich weiß nicht genau, ob es bei der Verträglichkeit eher um den Abbau von Gluten aus dem Mehl geht oder um den Zusatz u.a. der milchsauren Fermentation, also verschiedener Stoffwechselprodukte etwa von Milchsäurebakterien, aber es handelt sich schlicht um ein anderes Brot als solches das nur einige Stunden mit Bäckerhefe oder Backpulver aufgetrieben wird. Es wird auch nur ein Teil davon fermentiert werden, in allen Rezepten, die ich bisher gesehen habe, wird der Starter mit unfermentiertem Mehl gemischt, auch ist das in recht unterschiedlichen Verhältnissen möglich. Aber in jedem Fall kommen die verschiedenen Produkte tage- oder wochenlanger Fermentation in das Brot.
Ich kann für mich sagen, es fühlt sich einfach besser an, Sauerteigbrot zu essen, besonders, wenn ich es selber gemacht habe. Das gibt einfach noch mal einen anderen Bezug dazu.
Und so machst Du Deinen eigenen Roggensauerteig-Starter
Ich habe diese Anleitung aus Branden Byers „Fermentierung für Einsteiger“, einem Buch, das ich generell gerne weiterempfehle. Es gibt viele Variationen auf dieses Thema, doch dieses hier geht so:
Tag 1:
90g Mehl (ich habe zum Start bisher glattes Roggenmehl R700 verwendet, oft wird lieber Roggenmehl verwendet, es soll angeblich aber leichter schimmeln)
90g Wasser
Das Wasser sollte grundsätzlich handwarm sein, weder zu warm noch zu kalt, die (richtigen) Mikroorganismen sollen sich wohl fühlen. Mehl und Wasser gut verrühren und in ein Gefäß mit 1-2 Liter Fassungsvermögen füllen, optimal etwas Hohes, Schmales. Das Gefäß sollte sauber sein. Generell ist sauberes Arbeiten von Vorteil, man kann auch alle Werkzeuge sterilisieren (ich tue das, wann immer ich mit dem Teig arbeite). Vermutlich kann man aber nicht vermeiden, Schimmelsporen miteinzutragen, es liegt an den sich entwickelnden Milchsäurebakterien und Hefen, schlicht schneller zu sein. Die verwendeten Werkzeuge und insbesondere der Behälter für den Teig sollten nicht metallisch sein (Edelstahl müsste eigentlich funktionieren), da Metalle oft etwas säureanfällig sind. Und sauer wird so ein Sauerteig durchaus, sogar wenn er gefüttert wird (kleiner Scherz). Die dann gelösten Metallionen können den Sauerteig hemmen. Abgesehen davon, dass es eventuell ungesund sein könnte, da will ich mich nicht festlegen, es hängt von der gelösten Metallmenge ab. Ich verwende einen 2 Liter Glasmessbecher (Labormaterial, soetwas ist auch praktisch, wenn man selber Salben rühren möchte) als Fermentierbehälter, Porzellan/Steingut müsste genauso gut sein, abgedeckt mit einem sauberen Küchentuch, fixiert mit zwei Gummiringen und Kunststoffkochlöffel zum Umrühren. Weiter oben seht ihr ein Bild von meinem Roggensauerteig Dimitri.
Tag 2:
Der Ansatz wird wieder mit 90g Mehl und 90g Wasser „gefüttert“ und gut umgerührt. Was die Pünktlichkeit der Fütterung angeht, es sollte täglich sein und möglichst zur gleichen Uhrzeit. Aber der Teig nimmt es nicht so genau, mach Dir also auch keinen unnötigen Stress. Wenn die Fütetrung regelmäßiger ist, führt das vielleicht früher zu einem stabilen Ökosystem, oder es hilft dem „Ökosystem Sauerteig“ dabei, stabil zu bleiben, das ist aber nur meine Vermutung. Versuche einfach, möglichst eine gewisse Regelmäßigkeit einzuhalten.
Tag 3 und später:
Täglich mit 60g Mehl und 60g Wasser füttern (und gut umrühren)
Der Prozess wird wiederholt, bis der Starter schon schon bald nach der Fütterung Blasen bildet und deutlich sauer bzw. nach Hefe riecht.
Diese laufend weiterzufütternde Kultur nennt man „Sauerteigführung“ und sie kann, wie gesagt, sehr langlebig sein. Eigentlich ist mit der „Führung“ einfach die Fermentation gemeint, die bei Bäckern auch mehrstufig in verschiedenen Phasen und Temperaturen ablaufen kann. Für unsere Anwendung hier dürfte die optimale Temperatur für den Prozess zwischen 25 und 28°C liegen, es gibt dazu recht unterschiedliche Angaben. Letztlich dient das auch nur als Anhaltpunkt, der Starter sollte nicht in den Kühlschrank (außer um ihn längerfristig zu lagern ohne ihn zu füttern) und wenn er zu warm wird (spätestens in der Nähe von 40°C) könnte die Balance zwischen Bakterien und Hefen durcheinanderkommen. Habe ich allerdings bisher nicht erlebt, sollte mir das passieren (der Sommer kann recht heiß werden), schreibe ich dazu einen Nachtrag. Sollte der Starter mal eine Zeit lang nicht gefüttert werden können, kann man ihn auch etwa eine Woche im Kühlschrank lagern (nach manchen Angaben auch länger). Dann sollte er aber wieder gefüttert und zumindest einen halben Tag bei Zimmertemperatur fermentieren dürfen. Es gibt auch die Möglichkeit, einen Teil davon dünn auf einem Backpapier zu verstreichen, bei Zimmertemperatur trocknen zu lassen, zu zerbröseln und das Pulver luftdicht und lichtgeschützt aufzubewahren. Es kann dann als Starterkultur für einen neuen Ansatz verwendet werden, bzw. lässt sich das Pulver in 3-4 Stunden mit lauwarmem Wasser bereit machen zur nächsten Fütterung. Die braucht es aber, um wieder aktiv zu werden, es ist also nicht gleich einsatzbereit.
Sollte die Mischung zu schimmeln beginnen, bitte einfach entsorgen, die Schimmelsporen haben gewonnen, und es ist da besser, damit kein Risiko einzugehen. Einfach Gefäße und Werkzeuge sterilisieren und neu ansetzen.
Ich möchte noch hinzufügen, dass es verschiedene Methoden bei der Sauerteigherstellung gibt, es ist sowohl Wissenschaft als auch Kunst, und eine Alte dazu. Es ist nicht schwer sich vorzustellen, wie die ersten Sauerteige (eigentlich: Starter) aus übrig gebliebenem Getreidebrei entstanden sind. Es gibt seither natürlich viel Erfahrung und Varianten, auf die wir zurückgreifen können. Es gibt Bücher und Kurse nur zu Sauerteigen und natürlich gibt es auch viele verschiedene Sorten, aus vielen verschiedenen Mehlen und auch süße Varianten wie etwa aus Weizenmehl, Milch und Zucker. Es gibt also viel zu wissen. Aber im Kern der Sache und im einfachsten Fall ist es nicht kompliziert, man benötigt nur die Grundzutaten und lässt sie mit den natürlich vorkommenden Milchsäurebakterien und Wildhefen oder dem Starter eines Freundes fermentieren. Außerdem kann man den Sauerteig einer Sorte (also etwa Roggensauer) auch zu einem anderen „umzüchten“, indem man etwas von einer Sorte nimmt und damit die frische (unfermentierte) andere Mehl/Wasser Mischung für einen neuen Ansatz animpft. So kann man etwa auch eine kleine Menge Roggensauerteig verwenden, um einen süßen Weizensauerteig mit Milch wie den Hermann-Teig herzustellen. Es geht dann vor allem einfach etwas schneller. Ich habe etwa vor kurzem meinen Starter von glattem Roggenmehl auf Vollkornmehl umgestellt. Das scheint den Wildhefen gut zu behagen, der Teig geht jetzt täglich sehr stark auf.
Für mich persönlich steht der gesundheitliche Aspekt im Mittelpunkt, der fermentierte Teig fühlt sich einfach gesünder an, bzw. ist geschmacksintensiver als die meisten Brote, die man so kaufen kann.
Viel Spaß beim Experimentieren!
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